Lesbar  

"Texte sind lesbar und verständlich zu gestalten."

BITV 2.0, BITV - Test. Sprachswitcher mit Text und Flagge. Smiley mit 1 grauem Haaren.

Es gilt, Inhalte für alle Nutzergruppen lesbar zu machen. Das können Sprach- und andere Auszeichnungen im Code sein, die von Screenreadern ausgewertet werden, oder der Text selbst wird möglichst verständlich geschrieben (z.B. mit gängigen statt ungewöhnlichen Begriffen, Vermeidung von Abkürzungen, kürzere Sätze, usw.).

Accessibility-Checkliste: Lesbar

Diese Accessibility Checkliste hilft bei der Überprüfung einer Webseite auf Konformität zu den Erfolgskriterien der Richtlinie 3.1 (Konformitätsstufe AA) der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.0 bzw. den Bedingungen der Anforderung 3.1 (Priorität I) der Barrierefreien Informationstechnik-Verordnung – BITV 2.0.

  1. Für jede Webseite muss eine Sprachangabe gemacht werden (z.B. mit dem lang-Attribut für das HTML-Wurzelelement). Für manche Sprachen muss zusätzlich die Sprachrichtung angegeben werden.
  2. Inhalte (Phrasen, Sätze, Abschnitte) in einer Sprache, die von der Sprache der Webseite abweichen, müssen mit entsprechenden Sprachangaben gekennzeichnet werden. Nach der BITV 2.0 gilt das auch für einzelne Ausdrücke.

Weitere Accessibility-Checklisten

Graue Haare

Dieser Beitrag ist Teil der Serie "Accessibility-Checkliste gegen graue Haare". Zuletzt musste ich mich mit der Barrierefreien Informationstechnik-Verordnung (BITV) 2.0 auseinandersetzen, die gerne als deutsche Fassung der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.0 angesehen wird. Die BITV 2.0 weicht allerdings erstaunlich oft von den WCAG 2.0 ab.

Im Zuge der Untersuchung musste ich mich auch mit dem sogenannten "BITV-Test" der DIAS GmbH - eine Prüfanleitung für barrierefreies Webdesign - auseinandersetzen, um seine Zuverlässigkeit zu bewerten. Auffällig war insbesondere die deutliche Abweichung des "BITV-Tests" von der BITV 2.0 (und den WCAG 2.0).

Diese beiden Umstände haben mich dazu veranlasst, graue Haare für die BITV 2.0 und den "BITV-Test" wie folgt zu vergeben:

  • ein graues Haar Ein graues Haar gibt es für die BITV 2.0, wenn eine Anforderung oder eine Bedingung inhaltlich von den WCAG 2.0 abweicht. Ein graues Haar gibt es auch für einzelne Prüfschritte im "BITV-Test", wenn
    1. im Prüfschritt die Bedingung aus der BITV 2.0 nicht geprüft werden kann (z.B. weil nur eine Best-Practice-Technik geprüft wird),
    2. im Prüfschritt etwas geprüft wird, das nicht in der BITV 2.0 verlangt wird und
    3. der Prüfschritt so allgemein gehalten wird, dass er nicht zuverlässig eingesetzt werden kann.
  • kein graues Haar (OK) Für solche Anforderungen und Bedingungen der BITV 2.0, die im Einklang mit den Richtlinien und Erfolgskriterien aus den WCAG 2.0 sind, und solche Prüfschritte im "BITV-Test", die eine Überprüfung der BITV 2.0 zulassen, gibt es drei farbige Haare und ein "OK".

BITV 2.0 (Anlage 1) und WCAG 2.0

kein graues Haar (OK) Die Anforderung der BITV 2.0 ist im Einklang mit der Richtlinie aus den WCAG 2.0.

Auf Priorität I der BITV 2.0 werden zwei Bedingungen zu „Lesbar“ formuliert:

kein graues Haar (OK) Nach Bedingung 3.1.1 Sprache muss die Sprache, in der der Inhalt der Seite verfasst ist, von auslesender Software (z.B. Browser oder Sprachausgaben) ermittelt werden können. Durch die Verfügbarkeit der Sprachangabe kann beispielsweise eine Sprachausgabe die richtige Aussprache automatisch einstellen. Üblicherweise erfolgt die Angabe mit einem lang-Attribut auf das Wurzelelement einer Webseite, z.B. <html lang=“de“>.

ein graues Haar In Bedingung 3.1.2 Sprache einzelner Abschnitte wird vorgegeben, dass bei einem Wechsel der Sprache im Inhalt die anderssprachigen Inhalte mit dem lang-Attribut und einem Sprachcode gekennzeichnet werden müssen:

  1. Die WCAG 2.0 fordert die Angabe des Sprachwechsels für Abschnitte und Phrasen und schließt ausdrücklich u.a. Eigennamen oder Fachausdrücke aus. Hinweis: In der offiziellen deutschsprachigen Übersetzung der WCAG 2.0 wird „phrase“ missverständlich mit „Satz“ übersetzt; tatsächlich sind nicht Sätze, sondern zusammengehörige Teile eines Satzes gemeint.
  2. Die BITV 2.0 gibt vor, einen Sprachwechsel auch für Ausdrücke zu berücksichtigen. Wenn Begriffe, die im Duden stehen, nicht ausgezeichnet werden müssen, werden zwar viele ursprünglich fremdsprachige Ausdrücke nicht als anderssprachig ausgezeichnet werden müssen, aber dennoch ist eine Abgrenzung in der Praxis schwirig. Beispielsweise steht „Braille“ nicht im Duden. Wenn der Name bzw. der Begriff als <span lang=“fr“>Braille</span> ausgezeichnet werden würde, ist die Verständlichkeit in Sprachausgaben beeinträchtigt.

„BITV-Test“ und BITV 2.0

Der „BITV-Test“ bietet drei Prüfschritte zu Anforderung 3.1 („Lesbar“) an:

kein graues Haar (OK) Der Prüfschritt 3.1.1a Hauptsprache angegeben bietet eine Prüfanleitung entsprechend der BITV 2.0. Hinweis: Es wird nur eine Best-Practice-Technik geprüft, aber andere Techniken scheinen nicht gut zu funktionieren.

kein graues Haar (OK) Der Prüfschritt 3.1.2a Anderssprachige Abschnitte ausgezeichnet bietet eine Prüfanleitung entsprechend der BITV 2.0.

ein graues Haar Der Prüfschritt 3.1.2b Anderssprachige Wörter ausgezeichnet geht über die Anforderungen der BITV 2.0 hinaus. Während die Bedingung grundsätzlich für Abschnitte vorgesehen ist, aber Ausdrücke nach der Begründung zur BITV 2.0 ebenfalls ausgezeichnet werden sollen, ist der BITV-Test auch auf Begriffe anzuwenden, die in den deutschen Sprachgebrauch übergegangen sind. Die BITV 2.0 schließt jedoch Begriffe von der Bedingung aus, die im Duden stehen.

Zur Serie "Accessibility-Checkliste gegen graue Haare

Den Anlass für diese Serie finden Sie im einleitenden Beitrag Accessibility-Checkliste gegen graue Haare beschrieben.

Es ist wichtig, dass es in Deutschland Regelungen zur Barrierefreiheit im Web gibt. Allerdings steht die BITV 2.0 in Widerspruch zu internationalen Webstandards und weiteren Industrienormen, was in der Praxis durchaus ein Problem darstellt. Dass der "BITV-Test" diese Differenzen nicht relativiert, sondern verstärkt, hat zur Folge, dass barrierefreies Webdesign in Deutschland missverstanden wird. Die WCAG 2.0 sind stabile und international anerkannte Standards, die in den erläuternden Dokumenten laufend auf den aktuellen Stand der Technik gehalten werden. Die BITV 2.0 ist hingegen starr, und der "BITV-Test" bietet keinesfalls eine geeignete Basis, eine Konformität zu der BITV 2.0 (oder den WCAG 2.0) reliabel zu überprüfen.

Die Serie besteht aus einer Reihe von Checklisten, die jeweils die einzelnen Anforderungen der BITV 2.0 abbilden. Ergänzt werden die Checklisten mit Kritik an einzelne Bedingungen der BITV 2.0 und Kritik an einzelne Prüfschritte im "BITV-Test". Insgesamt handelt es sich bei dieser Serie um 12 Accessibility-Checklisten, die bei Bedarf auch aktualisiert werden:

2 Gedanken zu “Lesbar – "Texte sind lesbar und verständlich zu gestalten."

  1. Ich denke, es ist noch etwas komplizierter. In der Begründung zur BITV 2.0 findet sich der Passus „Für Begriffe, die in den allgemeinen Sprachgebrauch
    übergegangen und insbesondere auch im Duden aufgeführt sind,“.

    „Den duden“ gibt es nicht, denn „duden“ ist der Verlag. Gemeint ist evtl. „Duden – Das große Wörterbuch der deutschen Sprache“, aber letztlich weiß man es nicht, denn es gibt außerdem u.a. noch „Duden – Deutsches Universalwörterbuch“ sowie weitere Werke wie „Duden – Die deutsche Rechtschreibung“.

    Die Formulierung „insbesondere auch im duden“ zieht die Frage nach sich, wo denn noch – also welche Wörterbücher noch gemeint bzw. „erlaubt“ sind? Und: Es gibt keinen „allgemeinen Sprachgebrauch“.

    Damit ist die gesamte Bedingung der BITV 2.0 letztlich nicht prüfbar.

    Auch die Formulierung der Bedingung selber, gibt Rätsel auf: „Die natürliche Sprache aller verwendeten Textpassagen oder Ausdrücke ist durch Programme erkennbar.“ Hier kann man durchaus die Frage stellen, ob ein einzelnes Wort überhaupt ein „Ausdruck“ ist. Soweit ich darüber informiert bin, sehen das selbst Sprachwissenschaftler unterschiedlich. In den WCAG 2.0 wird „Phrase“ verwendet und leider wurde im Glossar nicht definiert, was eine „Phrase“ ist.

    1. Der Einwand mit dem Duden stimmt selbstverständlich.

      Mir ging es hier vor allem um die Abweichung bzw. darauf hinzuweisen, dass die BITV 2.0 nicht kompatibel mit der WCAG 2.0 ist. Das die Inkompatibilität konkrete Probleme nach sich zieht (z.B. wann ist ein Ausdruck auszuzeichnen?) liegt in der Natur der Sache, denn die BITV 2.0 konkretisiert die Abweichungen nicht und überlässt es dem Leser, die Absicht der Bedingung zu interpretieren.

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