Den meisten Windows-Nutzern dürfte es bekannt sein: Ende Juli können ältere Windows-Versionen (bis Windows 7) kostenlos auf Windows 10 geupdatet werden. Gestern erschien ein Blog-Beitrag des Chief Accessibility Officers von Microsoft, der sich nicht gerade optimistisch liest, wenn es um die Zugänglichkeit von Windows 10 mit Screenreadern und Vergrößerungssystemen geht.
Screenreadernutzer sind es gewissermaßen gewohnt, Software-Updates mit einigen Monaten Verzögerung nutzen zu können. Ob mit einem Update des Betriebssystems oder eines Office-Pakets, die aktuelle Version des Screenreaders ist oft nicht in der Lage, bestimmte Inhalte zu lesen oder eine geeignete Bedienung bereitzustellen. Manchmal liegt es daran, dass der Screenreader nachgebessert werden muss, und manchmal liegt es daran, dass die Updates die Barrierefreiheit nicht umfänglich berücksichtigen.
Der gestrige Beitrag im Microsoft Accessibility Blog Windows 10 upgrade considerations for screen reader and magnifier users erinnert Nutzer daran, dass Screenreader und Vergrößerungssysteme Probleme mit Windows 10 haben werden. Im Wesentlichen weist der Autor darauf hin, dass man sich als Screenreadernutzer vertrauensvoll an seinen Hilfsmittelberater wenden soll, wenn es Probleme gibt, und dass man vorsichtshalber Windows 10 auf seinen Zweitrechner zuerst installieren sollte.
Der Beitrag liefert einige konkrete Hinweise zu wahrscheinlichen Problemen:
- Screenreadernutzern wird es nahegelegt, in jedem Fall mit Internet Explorer und nicht mit dem neuen Browser Edge zu arbeiten – vermutlich müssen Screenreader an dieser Stelle nachziehen, um Edge vollständig nutzen zu können.
- Als PDF-Leser muss der Adobe Reader genutzt werden – es hätte mich überrascht, wenn Microsoft einen PDF-Leser herausgebracht hätte, der tagged PDF auswerten kann.
- Als E-Mail-Client sollte Outlook genutzt werden – das werte ich als reines Marketing.
Ähnlich werte ich die Aussagen bei Freedom Scientific, den Hersteller von JAWS. Die Frage, ob Windows 10 mit JAWS 15 oder 16 kompatibel ist, wird auf der JAWS-Downloadseite eindeutig beantwortet:
Nach dem ersten Eindruck, ich müsse vorerst auf Windows 10 verzichten, bin ich der Ansicht, dass der Beitrag auf dem Microsoft Accessibility Blog keine wesentlichen Informationen enthält. Es wird wahrscheinlich wie immer sein. Nach dem Update wird das eine oder andere nicht funktionieren. Microsoft wird hier und dort nachziehen, Freedom Scientific ebenfalls. Mit einem JAWS-Update für 200 Euro werden dann neuere Anwendungen wieder funktionieren. Auch daran sind vor allem JAWS-Nutzer gewohnt, dass Patches für aktuellere Versionen des Screenreaders nur als kostenpflichtiges Update zu erhalten sind.
Wie bei jedem größeren Software-Update stellt sich mir auch dieses Mal die Frage, ob ein Screenreaderwechsel sinnvoll ist. Bei meinem letzten Versuch, vor ca. 2 Jahren auf den kostenlosen Screenreader NVDA zu wechseln, war der Leistungsumfang im Web mehr als zufriedenstellend, aber mit typischen Office-Anwendungen schwächelte er etwas. Seitdem hat sich einiges getan. Ich werde mir wohl ein paar Tage Zeit nehmen müssen, um mir einen anderen Arbeitsablauf anzueignen.
Ich bin ein Nutzer des Screenreaders WindowEyes. Also werde ich noch etwas mit dem Umstieg auf Windows 10 warten.