Ich reise gerne – meist innerhalb Deutschlands und mit der Deutschen Bahn. Die Herausforderung ist für mich als Blinder gar nicht so groß, wie manche Zeitgenossen annehmen, aber dazu gleich mehr. Es ist allerdings eine andere Situation, wenn ich mit meiner 5-jährigen Tochter unterwegs bin. Dann muss ich meine Reise immer gut planen.
Reisen mit Kind ist anders
Wenn ich in den letzten Jahren mit meiner Tochter alleine unterwegs war, fuhren wir meist zu Ihrer Nana oder zu anderen Verwandten. Von Dortmund aus ist die Verbindung nach Frankfurt, Berlin oder Hamburg recht gut – zumindest zwischen den Städten. Sicher, wir mussten oft zusammen umsteigen, mit U- und S-Bahn fahren oder ein Taxi finden, aber es gab bislang noch nie ein Problem – auch nicht dann, wenn im Kölner Hauptbahnhof mal wieder keiner vom Umstiegsservice erschienen war.
An den großen Bahnhöfen habe ich meistens den Mobilitätsservice der Deutschen Bahn in Anspruch genommen, d.h. nach einer telefonischen Voranmeldung konnte ich mich eine Viertelstunde vor Abfahrt am Info-Point des Abfahrtsbahnhofs melden und es kam jemand, der uns zum Gleis und zum Wagen mit unseren reservierten Plätzen begleitete; bei jedem Umstieg und am Endbahnhof wartet dann meist ebenfalls ein Service-Mitarbeiter. Einmal in einem Zug eingestiegen, muss ich einen Mitreisenden bitten, mir die reservierten Plätze zu zeigen.
Ohne Tochter gehe ich anders vor. Normalerweise schaue ich, wann verkehrstechnisch günstige Züge fahren und fahre zum Bahnhof, wenn ich soweit bin. Die Fahrkarte kaufe ich dann im Zug. Als Alleinreisender ist es dabei in der Regel überhaupt kein Problem, einen Sitzplatz zu finden. Und wenn alle Stricke reißen, kann ich mich entweder ins Bordrestaurant setzen oder ein Zugbegleiter zeigt mir einen Platz auf einem Schwerbehindertenplatz oder in der ersten Klasse. Das ist für mich eine sehr entspannte Art zu reisen.
Umstiegsservice fast überflüssig
Von Dortmund nach Frankfurt gibt es nur wenige direkte Verbindungen durch den Westerwald (die im Übrigen eine Stunde weniger brauchen als die Verbindungen am Rhein entlang). Letzte Woche nahm ich eine Verbindung von Dortmund nach Frankfurt, bei der ich in Essen umsteigen musste; bei der Reiseauskunft der Deutschen Bahn stand dass ich von Gleis 2 auf Gleis 1 wechseln müsse:
- Mit sehender Assistenz konnte ich anhand eines Lageplans feststellen, dass in Essen Gleis 1 und 2 den gleichen Bahnsteig teilen.
- Nicht in Erfahrung zu bringen war hingegen, in welchem Gleisabschnitt der Wagen mit unseren reservierten Plätzen sein sollte.
Nach dieser Darstellung könnte Wagen 21 in der Mitte des Zuges sein, aber tatsächlich war dieser Wagen in Abschnitt G. Warum das so wichtig für mich war, ist leicht erklärt. Meine Tochter ist durchaus in der Lage, die Buchstaben für die Bahnsteigabschnitte zu identifizieren und es mir mitzuteilen. Allerdings ist sie noch lange nicht so weit, einen Wagenstandsanzeiger auf dem Bahnsteig zu finden und zu lesen. Hätte ich gewusst, in welchem Abschnitt unser Wagen ungefähr stehen würde, hätten wir problemlos unsere Plätze ohne fremde Hilfe gefunden.
Da wir planmäßig über fünf Minuten Umstiegszeit hatten, habe ich den Umstiegsservice im Vorfeld nicht bemüht. Die Aufgabe, den richtigen Wagen zu finden, sollte in der Zeit zu bewältigen sein.
Es kam natürlich alles anders. Kurz bevor wir mit einem Regionalzug in Essen einfuhren, wurden unsere Fahrkarten kontrolliert und die freundliche Zugbegleiterin stand – zufällig oder nicht – neben uns, als wir ausstiegen. Ich fragte sie, ob sie am gegenüberliegenden Gleis Bahnhofspersonal sehe, und siehe da, die ganze Mannschaft des ICEs stand versammelt keine zehn Meter von mir entfernt, denn der ICE startete in Essen und war noch nicht eingefahren. Einer der Zugbegleiter nahm uns unter seine Fittiche und lief mit uns bis zum Bahnsteigende, wo der Zug und der Wagen mit unseren reservierten Plätzen neben uns hielt. Er stieg mit uns ein und zeigte uns unsere Plätze – alles gut und entspannt.
Wünschenswert
Der Umstiegsservice der Deutschen Bahn ist eine gute Sache. Die Webseite ist zwar etwas umständlich zu nutzen, aber dort steht eine Telefonnummer, die ich seit Jahren gespeichert habe. Den Service und die Telefonnummer werde ich noch oft nutzen, die Webseite wohl nicht.
Der Service ist für mich insbesondere dann wichtig, wenn ich an einem Bahnhof umsteigen muss, wo ich noch nie war oder wo ich weiß, dass es umständlich wird. Wann immer möglich verzichte ich aber darauf. Das gilt nicht nur für Bahnhöfe, die ich kenne, sondern auch weil spontan geänderte Pläne und andere Umstände meine Reisezeiten ändern können.
Was mir für ein barrierefreies Reisen mit der Deutschen Bahn fehlt, sind die oben genannten Punkte: Ich muss wissen, wo ich hin muss, ohne Schilder am Bahnsteig lesen zu müssen, und ich muss am Bahnsteig erfahren können, wo ich mich ungefähr orientieren muss, um einen reservierten Platz zu finden. So wie die Deutsche Bahn aufgestellt ist, bin ich viel zu oft auf fremde Hilfe angewiesen – sei es durch Mitarbeiter des Serviceteams oder durch andere Reisende. Ein Anfang wäre es, wenn diese Informationen online und barrierefrei zur Verfügung gestellt würden.
So wie diese eine Fahrt bzw. der Umstieg in Essen gelaufen ist, darf es auch öfter sein. Natürlich habe ich die Mannschaft vom ICE gefragt, wo sich der Wagen mit unseren Plätzen befindet. Dass der Mitarbeiter uns bis zum Platz gelotst hat, habe ich in dem Moment nicht erwartet. Wäre eine solche Hilfsbereitschaft allgemein üblich, würde ich auf den Wagenstandsanzeiger sicherlich keinen Gedanken mehr verschwenden.