Neulich erhielt ich unverhofft die deutsche Übersetzung der Autobiografie von Sir Peter Ustinov, die ursprünglich 1977 als „Dear Me!“ erschienen ist. Das Buch entpuppte sich als eine unterhaltsame Lektüre. Der Multitalent Ustinov zeichnet sich nicht nur durch einen humorvollen – wenn nicht britischen – Schreibstil aus, sondern auch durch Tiefgang.
Der Weltbürger Sir Peter Ustinov war Schauspieler, Regisseur, Autor und vieles mehr. Ich kann mich gut an den einen oder anderen Auftritt von ihm erinnern. Am beeindruckendsten war ein Auftritt in der Jahrhunderthalle in Frankfurt, wo er alleine auf einer großen Bühne von einem vollen Saal über 2 Stunden ununterbrochene Aufmerksamkeit erhielt. Aber es war seine ausgeprägte britische Betrachtungsweise der damals aktuellen Geschehnisse, die aus mir ein regelrechter Fan machte.
Ustinov und ich
Ich habe bereits einige Bücher von Ustinov gelesen. In Erinnerung geblieben ist mir insbesondere Mein Rußland aus dem Jahr 1983, das einerseits eine gute Übersicht der geschichtlichen Entwicklung des Riesenreichs bietet und andererseits durch seine typischen Erzählungen eine unterhaltsame Lektüre ist. Angesichts des Bildes, das in unseren damaligen und heutigen Medien von der Sowjetunion bzw. von Rußland herrscht, kann Ustinov aber die missionarische Aufgabe nicht abgesprochen werden, Verständnis für die Rolle Rußlands in der Weltpolitik aufbringen zu wollen. Ustinov ist zwar ein Brite durch und durch, aber er liebt zweifelsfrei das Land, aus dem einer seiner Großväter stammt.
Letzte Woche hat mir die Westdeutsche Blindenhörbücherei die Autobiografie Ustinovs „Ich und Ich – Erinnerungen“ als DAISY-Buch geschickt. Ich weiß zwar nicht mehr, wann ich das bestellt habe (die Bücher werden einmal bestellt und danach wird im Pendelsystem ein Buch nach dem anderen an den Ausleiher geschickt), aber ich habe mich über die Zusendung gefreut, die CD gleich in den DAISY-Player eingelegt und es in zwei Tagen gelesen.
Zum Buch
Das Buch versetzte mich zurück in meine britisch-amerikanisch geprägte Schulzeit Anfang der 1980er. Es war vor allem Ustinovs Haltung zum Krieg in Europa, mit der ich mich identifizieren konnte. Etwas, was Ustinov beispielsweise öfter zum Krieg und zu seiner Militärzeit sagte, war, dass es eine solche Zeitverschwendung sei und dass das Übel in Deutschland nur durch weiteres Übel bekämpft werden könne. Aber auch der Umstand, dass sein Vater aus Deutschland stammte und britische und deutsche Unterhändler in der Wohnung empfing, erinnerte mich an die (anglo-amerikanischen) Romane über den Zweiten Weltkrieg, die ich als Jugendlicher gerne gelesen habe.
Ustinov hat früh begonnen, die Schauspielkunst professionell zu betreiben. Seine ersten Erfolge feierte er bereits während des Kriegs und als Soldat war er an den Erstellung von Propaganda-Filmen beteiligt. Freilich begann seine Hollywood-Karriere erst richtig in den 1950er und bis kurz vor seinem Tod in 2004 war er in der Öffentlichkeit immer noch präsent. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit war er auch Botschafter der UNICEF.
Die erste Hälfte des Buchs empfand ich als eine schöne Geschichte. Weil der Familienbaum Ustinovs recht interessant ist, beginnt das Buch bei seinen Ururgroßvätern und erstreckt sich von Frankreich nach Rußland und von Baden-Württemberg bis Äthiopien. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er auf sogenannte „public schools“ in England, wo er unter anderem die Ausgrenzung als Deutschstämmiger erdulden musste. Erst seine Zeit in der Armee legt den Grundstein für seine spätere Filmkarriere.
Die zweite Hälfte des Buchs – so empfand ich es – war eine Zusammenfassung. Ustinov versucht, einzelne Erfahrungen aus seinem Leben mit einer teils humorvollen und teils philosophischen Betrachtung zu ergänzen. Immer wieder – so auch die Grundlage für den Buchtitel – fügt er ein Selbstgespräch ein. Zwischen witzigen Anekdoten und „ganz normale“ Episoden, in denen er Personen aus seinem Umfeld beschreibt, werden zahlreiche Weisheiten und andere kluge Gedanken in die chronologische Erzählung eingestreut. Je näher das Ende des Buchs nahte, desto mehr hatte ich aber auch den Eindruck, es handele sich um eine Aneinanderreihung von Begegnungen mit Persönlichkeiten aus Film und Theater. Ich hatte immer wieder das Gefühl, dass einzelne Anekdoten zu kurz kamen und die immer wieder auftauchenden Aufzählungen an weiteren Ereignissen – auf die er gar nicht so sehr eingegangen ist – den Lesefluss störten. Entweder hätte er sie ausschmücken oder weglassen müssen.
Die Biografie Ustinovs ist trotzdem lesenswert. Abgesehen von der sehr unterhaltsamen Schreibweise bietet Ustinov viele schöne Geschichten und insbesondere einen etwas anderen Blick auf die Geschehnisse dieser Erde.