Fußball gemeinsam erleben  

Audiodeskription für Live-Sendungen

Collage: Fußball, Audiodeskriptions-Logos und Zuschauer im Hintergrund. Text: Die Lösung heisst Audiodeskription.

Im letzten Herbst habe ich den Fußball-Bundesliga-Auftakt verpasst. Das letzte Qualifikationsspiel der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Irland habe ich ebenfalls nicht gesehen. Dabei wurden diese Spiele im Fernsehen mit Audiodeskription ausgestrahlt. Die Free-TV-Sender ARD und ZDF haben aber angekündigt, auch einige Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien mit einer zusätzlichen akustischen Vollreportage für Blinde und Sehbehinderte anzubieten.

Warum müssen die Fernsehübertragungen von Fußballspielen mit Audiodeskription ausgestrahlt werden, wenn es doch Radio und Live-Streams im Internet gibt? Ich kenne das von früher: Fernseher an, Ton aus und dann die Radioübertragung einschalten. Das ging in der analogen Welt sehr gut. Mit den digitalen Übertragungen funktioniert das nicht mehr. UKW und DAB+ sind gefühlte 10 Sekunden vor der DVB-T-Übertragung und das Web-Radio ungefähr 40 Sekunden hinter der Fernsehübertragung. Der Radio- und Fernsehempfang ist nicht synchron.

Ein gemeinsamer Fußballabend

Beim Champions-League-Finale zwischen Borussia Dortmund und Bayern München im letzten Mai saß ich mit fünf anderen vor dem Fernseher. Die Kommentare des Sportreporters – meist eine endlose Aufzählung von Spielernamen mit einem gelegentlichen Hinweis zum Spielablauf oder einer Hintergrundinformation – trug nicht zu meinem Erlebnis bei, also schaltete ich ein UKW-Radio ein und steckte die Kopfhörer ein.

Das Spiel konnte ich nun verfolgen, aber ich wusste immer lange vor den anderen, was im Spiel passiert. Es war schon eine blöde Situation. Als Dortmund in der 68. Minute den Ausgleich durch Gündogan erzielte warteten die anderen immer noch mit Spannung auf den Pfiff des Schiedsrichters. Ich habe versucht, mich zurück zu halten, aber zwischenzeitlich schauten die anderen auf mich und nicht auf den Fernseher.

Ähnlich erging es mir bei anderen Fußball-Ereignissen, etwa das Finale bei der Europameisterschaft in 2008. Damals hatte ich das Tor gegen Deutschland erlebt, bevor im Fernsehen den Spaniern die Ecke überhaupt zugesprochen wurde. Wenn die Reaktionen des Radiohörers den Fernsehzuschauern die Spannung nimmt, ist das kein gemeinsames Erleben des Spiels.

Alternativen

Keine Frage, das Angebot an Fußballübertragungen ist mehr als ausreichend. Solange ich ein Fußballspiel alleine anhöre, habe ich meist eine Auswahl. Bei Europa- und Weltmeisterschaften und bei Champions-League-Spielen kann ich WDR Event über DAB+ hören. Seit letztem Jahr wird außerdem der Live-Stream des Web-Radios SPORT1.fm auf Radio ENERGY ausgestrahlt. Unschlagbar unterhaltsam ist in Dortmund auch das BVB-Netradio mit Norbert Dickel; wenn es brenzlig wird kann ich das Spiel zwar genauso wenig verfolgen wie im Fernsehen, weil dem Norbert Dickel die Spucke weg bleibt, aber als alternatives Angebot hat der Live-Stream durchaus seinen Reiz.

Natürlich bin ich gelegentlich auch im Stadion. Dort wird seit 2005 eine Audiodeskription für Blinde und Sehbehinderte angeboten. Es sind insgesamt 20 Plätze von über 80.000 mit Kopfhörern ausgestattet. Über die Kopfhörer sind zwei geschulte Sprecher abwechselnd zu hören, die nicht nur den Spielverlauf kommentieren, sondern insbesondere auf Bewegungen und Positionen von Spielern und Ball eingehen. Diesen Service konnte ich in der Vergangenheit nutzen, aber es ist schwer an Karten zu kommen. 10 Karten gingen an Dauerkartenbesitzer und die anderen 10 sind meist Monate vor einem Spiel ausverkauft. Mein letztes Spiel im Signal-Iduna-Park habe ich auf einem regulären Platz erlebt.

Es geht auch viel entspannter, indem ich mich auf meinen Balkon setze. Von dort höre ich die Stadionkulisse – je nach Wetter – sehr deutlich und anhand der Stimmung kann der Spielverlauf durchaus nachvollzogen werden. Vom Innenhof her höre ich zudem die fußballverrückten Nachbarn, die eine zuverlässige Quelle zur Ermittlung des Spielstands sind. Richtig vergleichbar mit der Stimmung im Stadion, wo die gelbe Wand singt und die Mannschaft antreibt, ist das nicht, aber nach einem Tor kann ich in aller Ruhe die SPORT1.fm-Übertragung einschalten und die letzte halbe Minute nachhören.

Die Lösung heißt Audiodeskription

Seit 2013 müssen auch Blinde einen Rundfunkbeitrag bezahlen. Dafür kann ich erwarten, dass die Programme von ARD und ZDF mit Audiodeskription ausgestattet werden. Fußballspiele und andere Live-Sendungen werden aber nicht sehr häufig mit Audiodeskription ausgestrahlt. Gerade Fußball ist aus meiner Sicht ein Event, dass gemeinsam mit Freunden erlebt werden will. Natürlich ist das Stadion der eigentliche Ort des Geschehens, aber in Dortmund ist das seit den Erfolgen der letzten Jahre schon schwer geworden, an Karten zu kommen.

Ich bin gespannt auf die diesjährige FIFA-Weltmeisterschaft und ob ich das eine oder andere Spiel zusammen mit anderen vor dem Fernseher erleben werde. Für mich muss es keine Audiodeskription sein, sondern eine Vollreportage aus dem Radio würde ausreichend sein – dann erleben Sehende und Hörende das Spiel wieder synchron, ganz wie in der analogen Zeit.

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