Andalusien für Blinde und Sehbehinderte  

ein Reisebericht

Landkarte Provinz Andalusien und tour de sens Logo

Als ich mir in letzten Frühjahr überlegte, ob ich mir einen Urlaub gönne, bin ich auf die Reiseagentur Tour de Sens in Stuttgart gestoßen. Ihr Konzept ist – einfach gesagt – Urlaub in verschiedenen Gegenden Europas für blinde und sehbehinderte Reisende anzubieten, aber auch für Sehende. Für jeden Blinden und für jeden Sehbehinderten mit Hilfebedarf muss auch ein sehender Reisender buchen. Dadurch gewährt die Agentur eine 1:1 Begleitung auf ihren Wander- und Kulturreisen.

Nach wenigen Telefonaten war ich soweit: meine erste Gruppenreise, die mich nach Andalusien vom 9.-16. Mai 2013 führen würde. Die Reise sollte starten in einem kleinen Ort bei Malaga, von wo aus wir nach Caños de Meca an der atlantischen Küste fahren würden, um von dort aus mehrere Tagesausflüge vorzunehmen. Die letzten beiden Übernachtungen würden wir in Jerez de la Frontera und wieder an der Mittelmeerküste bei Malaga verbringen.

Am Flughafen in Malaga wurde ich von einer der Reiseleiterinnen abgeholt, und wir fuhren wenige Kilometer zu einem Hotel des spanischen Blinden- und Sehbehindertenverbands in Fuengirola am Mittelmeer. Da ich mit zu den letzten Anreisenden gehörte, kam ich gerade rechtzeitig zum Abendessen vom Buffet und der Einladung zu einem Glas Wein auf der Terrasse, wo allgemeines Kennenlernen angesagt war. Von den 14 Reisenden waren 7 blind oder hochgradig sehbehindert und die anderen 7 einschließlich der beiden Reiseleiterinnen sehend. So wurde angeboten, dass für die sieben Reisetage die Begleitung jeden Tag rotieren könne – ein charmanter Vorschlag, der dazu beitrug, dass die Reise mit interessanten Begegnungen ergänzt wurde.

Die Tour begann gleich am nächsten Morgen. Mit unserem Busfahrer Juan fuhren wir an die südspanische Atlantikküste und machten unseren ersten Stopp an der rekonstruierten Römerstadt Baelo Claudia. In der kräftigen Sonne wurden wir über die verschiedenen Bauten informiert und durch die Stadt, ihre Straßen und ihre Plätze geführt. Die lebhaften Beschreibungen der Reiseleitung machten Produktionsstätten, Tempel oder das Amphitheater gut vorstellbar. Im Anschluss gab es zur spanischen Mittagszeit die ersten, hauptsächlich aus Fisch und Meeresfrüchten bestehende Tappas direkt am Atlantik. Wer noch nicht genug Sonne abbekommen hatte, konnte vor der Weiterreise die Gelegenheit nutzen, auf die größte Wanderdüne Westeuropas zu steigen oder einen Verdauungsspaziergang am Strand zu genießen.

Die nächsten Nächte verbrachten wir in einem hübschen Strandhotel in Caños de Meca. Das Hotel ist im typischen andalusischen Baustil gebaut, indem alle Zimmer von einem bepflanzten Innenhof erreichbar sind. Da das Hotel recht wenige Zimmer hat, hat die Gruppe fast alleine dort gewohnt. Das Hotel war bis auf die erste und die letzten beiden Nächte unser Domizil.

Zwei Touristen mit Hut in einer StraßeAuch am zweiten Reisetag verbrachten wir viel Zeit draußen. Wer am Vortag keinen Hut hatte, besorgte sich spätestens jetzt einen Sonnenschutz. Nach der Besichtigung des mittelalterlichen „weißen Dorfes“ Vejer mit vielen Einsichten in die multikulturelle Geschichte Südspaniens waren feste Schuhe von Nöten. Über eine Strecke von 14 Kilometern ging es durch hügelige und blühende Landschaften zunächst zu einer Taubenfarm, wo wir uns erfrischen konnten und allerhand über die Bedeutung des Taubenkots erfuhren. Am und im Wald konnten der Duft der Pinienbäume eingeatmet und die völlig andere Insektenwelt beobachtet werden. Nach einer weiteren Stärkung zu einer auch für spanische Verhältnisse späten Mittagszeit liefen wir herunter zur Küste und ins Hotel, wo die meisten sich nach dem langen, anstrengenden Tag hungrig und vielleicht auch etwas müde auf das Abendessen freuten.

Am dritten Tag ging es zur alten Hafenstadt Cádiz mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Die Perle der andalusischen Küste zieht natürlich auch außerhalb der Saison Touristen an – wir waren also nicht alleine dort, um die historischen Stätten wie das Oratorio oder die Kathedrale zu besichtigen. Auch hier hat die Reiseleitung die von verschiedenen Epochen geprägte Architektur beschrieben und viele interessante Geschichten erzählt, etwa wie es dazu kam, dass die erste Verfassung Spaniens dort entstanden ist. Insgesamt fand ich das Besichtigungsprogramm der Inselstadt sehr ausgewogen.

Den nächsten Tag verbrachten wir am Strand. Wir sind zunächst zum Kap von Trafalgar gewandert, wo ich überrascht war, dass es keine Hinweise auf die berühmte Schlacht von Admiral Nelson gegen die napoleonischen Flotte gab. Wer kann es aber den Spaniern verdenken, denn die fürchterliche Schlacht hat die vereinte französische und spanische Armada zerstört. Es war ein ruhiger Tag, denn die gebildeten Pärchen des Tages haben alle ein eigenes Tempo zu Tage gelegt. Mit einem mitgebrachten Picknick haben wir es uns zu einer deutschen Mittagszeit zwischen kleinen Dünen gemütlich gemacht. Wer Badezeug an hatte, ist auch ins Wasser schwimmen gegangen, so auch ich, und es war herrlich.

Den vorletzten Tag fuhren wir wieder mit Juan nach Jeréz de la Frontera, wo wir das nächste Hotel bezogen haben – mitten in der Stadt. Auch diese Stadt hat eine interessante Geschichte, aber wir wurden auch zum Fischmarkt geführt und zu einer beeindruckenden Sherry-Verköstigung in eine der zahlreichen Bodegas. Wie unterschiedlich der Geschmack eines Sherrys ausfallen kann, war mir bislang nicht bekannt, und die recht aufwändige Herstellung wurde in einer Führung durch die Bodega schön beschrieben. Der Tag war insgesamt voller kleinere Eindrücke, etwa die häufiger zu hörenden Verkäufer von Lotterielosen, die doch anderen Gerüche des Markts oder die vielen arabischen Einflüsse, die hör- und riechbar sind. Der Tag wurde durch eine Flamenco-Aufführung gekrönt, die mit unglaublichem Temperament dargeboten wurde.

Die Stadt Sevilla durfte am letzten Tag der Tour nicht fehlen. Die ehemalige Expo-Stadt ist sehr groß und beeindruckt durch historische Prachtbauten. Obwohl wir am Nachmittag eine Führung durch das Reales Alcazáres erleben durften, bei der die Räume und Hallen beschrieben und erklärt wurden, so gefiel mir persönlich ein Gang durch die engen Gassen des jüdischen Viertels besser. Weil nur ein Tag ohne Übernachtung in der Stadt geplant war, blieb sehr wenig Zeit für andere Sehenswürdigkeiten, aber ich denke, die Stadt muss man ohnehin mit mehr als ein paar Tagen Zeit besuchen, um sie auch kennenlernen zu können.

Am Nachmittag fuhren wir zurück ans Mittelmeer nach Fuengirola bei Malaga, wo wir den letzten Abend verbrachten. Im Laufe des nächsten Tages wurden wir nach und nach zum Flughafen gefahren, wo wir zu unseren verschiedenen Flügen gebracht wurden.

Die Reiseleiterinnen Johanna und Laura Kutter Mein Fazit: Die Urlaubsreise war für mich sehr erholsam. Neben den vielen Geschichten und Eindrücken war ich positiv überrascht von der Einstellung der sehenden Mitreisenden, denn die meisten hatten noch keine Erfahrungen mit Blinden. Sie haben alle sehr gut geführt und waren interessiert und hilfsbereit. Nicht zuletzt war die ganze Reise sehr gut von den beiden Reiseleiterinnen Johanna und Laura Kutter organisiert. Besonders beeindruckt hat mich der entspannter Ablauf, aber auch dass wir viel draußen unterwegs waren und das Besichtigungsprogramm abwechslungsreich war. Ich kann Tour de Sens allen allein-reisenden blinden und sehbehinderten Urlaubern empfehlen und möchte an dieser Stelle auch ein dickes Lob für die beiden Reiseleiterinnen für Ihre Professionalität aussprechen.
Wer mehr über weitere Reiseangebote und -ziele von Tour de Sens erfahren möchte, findet umfassende und barrierefreie Informationen auf der Website www.tourdesens.de.

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